Was ist der Maßstab für den Lebenswert eines Lebewesens?
- Matthias
- 7. Okt. 2011
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Nov. 2024
Rahel schaut mich mit großen Augen an. Sie ist schon seit Beginn an mit uns auf dem Hof. Den Friedensnobelpreis der Tierwelt werdet ihr sicher nicht gewinnen, sagt sie. Ich entgegne ihren Blick, entrüstet, hadernd. War’n Witz, wir wissen, was wir an euch haben, sie scheint zu lächeln, einen besseren Ort können wir uns gar nicht wünschen. Rana, ihre Schwester mit den tränenden Augen, gesellt sich dazu, sie ist die Sanftmütigere von Beiden. Sie streift um mich, als wäre sie eine Katze. Lass sie reden, du kennst sie doch… auch wenn wir unsere Jungs nicht gerne ziehen lassen, wir geben gerne unsere Milch für den besten Ziegenkäse Südbadens. Ich nehme ihren Kopf zwischen meine Hände, massiere ein wenig ihre Stirn zwischen den Hörnern, das mag sie. Besänftigen kann mich das jedoch nicht. Die anderen grasen und Segler mit seiner abgefahrenen Dandytolle über den Augen steht aufgerichtet und wittert stolz über seine Mädels hinweg. Er hat Glück gehabt, wurde ausgewählt zu bleiben. Was würdest du tun, wenn du bewusst die Wahl hättest? frage ich Rana stumm in den düsteren Himmel hinein, die tiefhängenden Wolken ziehen schnell.
Schon jetzt, da die Ziegen mit frischer Frucht im Leib sich gemächlich das herbstliche Gras zum späteren Wiederkäuen hineinfuttern und erster Wind die Kämme durchwühlt, breitet sich wieder dieses in den Sommermonaten verdrängte Dilemma in mir aus, es wird im Frühjahr seinen Höhepunkt erleben. Dann werden die Jungs, die noch ein, zwei Monate zuvor auf unseren Schößen saßen und von uns im Spiel bewundert und geliebt wurden, ans Messer geliefert. Es ist eben das Los der domestizierten Böcke, sagen die Bauern um uns, oder andere: wenn du so fühlst, dann musst du in Konsequenz vegan leben. Oder häng‘ das Ziegenkäse-machen an den Nagel, denke ich, (was aber wiederum die Existenz des Hofdaseins gefährden würde), oder ich nehme das Messer selbst zur Hand und verabschiede aufrichtig, wie Jördis Triebel in Emmas Glück. Precht, der Talkshow-Philosoph unserer Tage, schreibt (notwendig?) plakativ in Jenseits von Wurst und Käse über Wesen, die eines Tages auf die Erde kommen und dem Mensch in Intelligenz weit überlegen sind: … sie benutzen die Menschen zu medizinischen Versuchen, fertigen Schuhe, Autositze und Lampenschirme aus ihrer Haut, verwerten ihre Haare, Knochen und Zähne. Außerdem essen sie die Menschen auf, besonders die Kinder und Babys. Sie schmecken ihnen am besten, denn sie sind so weich, und ihr Fleisch so zart…
Was ist der Maßstab für den Lebenswert eines Lebewesens?

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